Digital Asset Management im Museum: Eintritt in vernetzte Bilderwelten
In der Museumswelt genießt das Visuelle seit jeher einen hohen Stellenwert. Kein Wunder also, dass hier auch Digital Asset Management an Bedeutung gewinnt. Man versteht darunter die digitale, agile Verwaltung des institutionellen Bildkapitals, mithin die Produktion, Organisation, Bereitstellung und Ausspielung von Bildern. Mit diesen Prozessen sind in Museen in der Regel drei Abteilungen – sofern vorhanden – befasst: Das (historische) Bildarchiv, die Sammlungsverwaltung und das Marketing. Während bei der Sammlungsverwaltung das digitale Bild motivisch zur Dokumentation des Exponats im Vordergrund steht, ist das Bild im historischen Bildarchiv selbst das Exponat. Das Marketing hingegen richtet den Blick auf speziell aufbereitete oder inszenierte Exponate und auf Ansichten ganzer Ausstellungen, Gebäude und Gebäudeteile und vor allem von Veranstaltungen. Nur selten trifft man momentan auf Museen, wo sich diese drei Abteilungen aus einem gemeinsamen Pool oder gar System bedienen. Wahrscheinlicher ist, auch wegen der heterogenen Bildwelten rund um das gemeinsame Kulturgut, dass jede ihr eigenes Süppchen kocht, direkt an den eigenen Kernaufgaben ausgerichtet.
The Big Picture: Projekt-Format richtig vermessen
Wenn digitales Bildmanagement im Museum Einzug erhalten soll, steht deshalb als oberste und wichtigste Frage zunächst die der Größenordnung im Raum. Dabei muss der digitale Verwaltungszustand der Bilder aller Abteilungen kritisch unter die Lupe genommen werden: Werden bereits Bilddatenbanken gepflegt? Entsprechen sie den zukünftigen, agilen Anforderungen oder handelt es sich lediglich um statische Ablagen? Lassen sich die Modelle ausbauen, später vielleicht integrieren? Sodann gilt es, den Mehrwert einer gemeinsamen Bildverwaltung zu beurteilen. An einem Ende der Ergebnisskala steht der große Rundumschlag, am anderen Ende die kompakte Lösung für einen klar abgegrenzten Aufgabenbereich. Einen kostspieligen Fehler sollten Museen aber unbedingt vermeiden: Die Frage nach der Skalierung des Projekts gar nicht zu stellen. Denn sie entscheidet über das ausdrückliche Projektziel und nach ihr bemessen sich der Aufwand und die Laufzeit und der gesamte Projektzuschnitt. Und von Projekten, über deren Ziele keine verbindliche Vorstellung besteht, sollte man bekanntlich besser die Finger lassen.
Der große Wurf: Alles in ein System
Wenn im Museum die Stunde der digitalen Transformation in großem Stil schlägt, sollte das Projektteam die Bedarfe der genannten Abteilungen genau verzeichnen aber auch mögliche abteilungsübergreifende Aufgaben in Betracht ziehen. Dabei sollte nicht zu klein gedacht werden – praktische Funktionen oder Erweiterungen lassen sich durchaus auch im zweiten oder dritten Projektschritt umsetzen. Frühzeitig ins Auge gefasst, können bereits die Voraussetzungen für ihre technische Machbarkeit kalkuliert werden. Beispiele für solche Erweiterungen sind gerade im musealen Betrieb zahlreich. Neben der Bildverwaltung kann die DAM-Software auch für die Organisation des Leihverkehrs und die Dokumentation von Restaurationsarbeiten eingesetzt werden. Möglicherweise soll später ein Web-Shop zum Erwerb der digitalen Bilder angeschlossen oder eine 3D-Erfassung der Exponate realisiert werden. Das Gespräch mit anderen Museen, verschiedenen Softwareherstellern und neutralen Beratern hilft, einen Überblick über gängige Anforderungen und professionelle Lösungen zu erhalten und sie mit dem eigenen Profil abzustimmen. Außerdem bekommt man eine Vorstellung über die für die Software anfallenden Kosten. Im Bildungsbereich räumen die Hersteller ihren Kunden übrigens nicht selten Sonderkonditionen ein.
Frühzeitig sind auch Fragen der Reichweite des DAM-Systems zu diskutieren. Dass Museen Vermittler zwischen Kunst bzw. Wissenschaft und Öffentlichkeit sind, spiegelt sich in der potenziellen Nutzerstruktur der Bilddatenbank. Außer den internen Archivaren oder Dokumentaren und dem Marketing oder der Öffentlichkeitsarbeit werden deshalb in der Regel weitere Interessenten als Nutzer in Betracht zu ziehen sein. Um die virtuelle Sichtbarkeit des eigenen Hauses und seiner Bestände zu gewährleisten, ist die Anbindung an aggregierende Verbünde oder Plattformen wie Prometheus, die deutsche digitale Bibliothek oder Europeana von elementarer Bedeutung. Museen, die sich den Herausforderungen der Digitalisierung in großem Stil stellen wollen, müssen mit einer mehrjährigen Projektlaufzeit rechnen. Als Beispiel kann das Römisch-Germanische Zentralmuseum in Mainz gelten, das 3,5 Jahre für Planung und Umsetzung benötigte.
Der nicht unerhebliche Aufwand, der für ein solches Projekt kalkuliert werden muss, erscheint zunächst als Herausforderung. Aber dieser Aufwand fällt selbst wieder in die Kategorie Mehrwert, betrachtet man ihn als Inventur, bei der man sich mit seinen eigenen (Bild-)beständen und deren Dokumentation auseinandersetzt.
„Diese Auseinandersetzung ist, wenn man den Prozess ernst nimmt, schon von unschätzbarem Wert“
Prof. Dr. Dr. hc. mult. Hermann Parzinger,
Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), Kulturelles Erbe und Digitalisierung
Praxisbeispiel: Im Sprint zum DAM
Wesentlich zügiger als museumsweite Großprojekte lassen sich kompakte Abteilungsprojekte umsetzen. Das Heinz Nixdorf MuseumsForum (HNF) in Paderborn benötigte nicht mal sechs Monate von den ersten Überlegungen bis zur Einführung des DAM-Systems inklusive Softwareauswahl und Konfiguration sowie Planung und Etablierung der neuen Workflows bis hin zur Schulung aller zukünftigen Nutzer. Erfolgsfaktoren für den schnellen und erfolgreichen Sprint waren:
- Ein klar abgegrenztes Projekt, das nur auf Teile der Museumsbildwelt zielte
- Ein kommunikationsstarkes und entscheidungsfreudiges Projektteam
- Die Zusammenbindung interner (IT, Archiv, Fotografen, Presseabteilung) und der Zukauf externer (Beratung und Projektmanagement) Kompetenzen
- Kurze Entscheidungswege ohne bürokratischen Hürden
Im HNF wird das DAM vor allem der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zu Gute kommen. Das weltgrößte Computermuseum zeigt sich und seine Schätze, Ausstellungen und Events gern auf allen Social-Media-Kanälen. Dabei geht es längst nicht mehr nur um die eindimensionale Bewerbung des eigenen Hauses, sondern um den dauerhaften thematischen Austausch und Kontakt mit einer fachlich interessierten Community, der auch für das Museum selbst Mehrwert bringt.
Fazit
Ein professionelles DAM-System ist grundlegend, damit Museen die bei ihnen bewahrten Kulturgüter im Internet für die Forschung und die interessierte Öffentlichkeit bereitstellen können. Sie schaffen damit eine internationale Sichtbarkeit, die auch für kulturelle Einrichtungen heute zum unerlässlichen Standard gehört. Zudem profitieren sie von dieser Sichtbarkeit, wenn es gelingt, interessierte Laien und Fachleute in die institutionelle Arbeit einzubeziehen. Nicht zuletzt eröffnet die Bereitstellung auch neue, digitale Vermarktungschancen für hochwertige Bilder der eigenen Exponate.